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Altdeponie Ernestus gibt sich zäher als gedacht

WR vom 04.11.2022

Jörg Winkel

Der vom Bergbau geprägte Ort Halberbracht: Oben rechts ist der Sportplatz zu erkennen. Dahinter befindet sich die ehemalige Mülldeponie, die nun für weitere fünf Jahre entgast und belüftet werden soll.

Der vom Bergbau geprägte Ort Halberbracht: Oben rechts ist der Sportplatz zu erkennen. Dahinter befindet sich die ehemalige Mülldeponie, die nun für weitere fünf Jahre entgast und belüftet werden soll.

Foto: Hans Blossey

OLPE/HALBERBRACHT.  Warum es deutlich aufwendiger ist als geplant, um die hier abgekippten 1 Million Kubikmeter Müll dauerhaft unschädlich zu machen.

Es ist ein Berg aus Müll. Ernestus war einst ein Tagebau der Erzgrube Sachtleben. Nachdem er ausgebeutet war, nutzte die gerade ein Jahr alte Stadt Lennestadt 1970 die Gelegenheit, das Loch im Boden zu verfüllen: Fünf Jahre lang ließ die Lennestadt hier Hausmüll abkippen. 1975 wurde die Zuständigkeit für die Abfallentsorgung auf den Kreis übertragen; ab diesem Zeitpunkt war es nicht mehr nur Müll aus Lennestadt, sondern dem gesamten Kreis Olpe, der hier deponiert wurde. Bis 1992 wurde über 1 Million Kubikmeter Müll auf Ernestus angefüllt.

 

Und seitdem bereitet die Altdeponie dem Kreis Arbeit. Denn das, was hier einst sorglos „entsorgt“ wurde, ist ein Konglomerat aus allem, was wegmusste: Da wurden Industrie- und Gewerbeabfälle ebenso abgekippt wie Hausmüll, und dieser bestand in den Zeiten vor der Mülltrennung aus alldem, was heute in vier Tonnen sortiert wird. Infolgedessen weist der Deponiekörper einen hohen Anteil an organischen Abfällen auf, also Stoffe, die im Lauf der Zeit zersetzt werden. Das hat Folgen: zum einen für den Deponiekörper, zum anderen für dessen Umgebung. Denn bei der Zersetzung entstehen Gase, die zum einen übel riechen können, zum anderen die Ozonschicht zersetzen. Und der eigentlich im Zuge der Aufschüttung verdichtete Deponiekörper schrumpft und kann dadurch in Bewegung geraten.

Luftsauerstoff baut organische Stoffe ab

Seit Jahren wird der Deponiekörper daher gezielt entgast. Eine Vielzahl sogenannter Gasbrunnen wurde niedergebracht, die tief in die Masse hineinreichen und aus denen das entstehende Gemisch organischer Gase mit einem hohen Anteil an klimaschädlichem Methan abgesaugt werden. Als im Zuge der Überwachung vor mehr als zehn Jahren festgestellt wurde, dass die Gasmenge spürbar sinkt, wurde eine Belüftung installiert. Frischluft wird gezielt in die Deponie geblasen, damit der Luftsauerstoff mit den restlichen organischen Abfällen reagiert und diese abbaut. 

 

Dies funktioniert auch, aber nicht so gut wie erhofft. Denn eigentlich war die Planung des Kreises, dass bis zum Jahr 2022 eine weitgehende biologische Stabilisierung der Deponie erreicht sein müsste. Ein Fachbüro wurde beauftragt, die Situation genau zu analysieren. Und nun liegt das Ergebnis vor: Die Fachleute empfehlen dem Kreis, die sogenannte „In-Situ-Stabilisierung“ durch Kombination aus Belüftung und Entgasung mindestens bis 2028 fortzusetzen.

Äquivalent von 1300-mal „Stadtradeln“

Dennoch betonte Kreisdirektor Philipp Scharfenbaum in der Sitzung des Umwelt- und Strukturausschusses am Donnerstag, dass das Modell ein Erfolg sei. Insbesondere die Tatsache, dass durch die Entgasung bisher Methan in einer solchen Menge kontrolliert abgesaugt und sicher entsorgt worden sei, habe der Umwelt den Gegenwert von 62.000 Tonnen Kohlendioxid in der Atmosphäre erspart. „Das entspricht dem Ausstoß von 5000 Bürgerinnen und Bürgern oder anders gerechnet 1300-mal dem, was die kreisweite Aktion ,Stadtradeln’ an CO-Ersparnis erbracht hat.“

Dass das Verfahren funktioniert, sehen die Fachleute unter anderem daran, dass im Deponiekörper seit der kontrollierten Belüftung die Temperatur um fast 20 auf 33 Grad angestiegen ist. Dies zeugt von Zersetzungsprozessen. Auch wurden Setzungen des Deponiekörpers um bis zu eineinhalb Meter beobachtet.

Allerdings sind dem Kreis mit einer Fortsetzung der Entgasung nicht alle Sorgen genommen. Denn ein weiteres Problem der Altdeponie Ernestus ist ein Wassereinstau. Dieser sorgt dafür, dass ein Damm in Bewegung zu geraten droht, was mit einer Spülbohrung beendet werden soll. Die Ausschreibung dafür ist getätigt. Das Fachbüro geht davon aus, dass dieser Wassereinstau mit einer Höhe von bis zu zehn Metern auch den Abbauprozess der Organik hemmt. Wenn wie geplant im Frühjahr 2023 zwei Drainageleitungen in Funktion sind und das gestaute Deponiewasser ableiten, dürfte mit dem Absinken des Wasserspiegels auch die Zersetzung wieder ansteigen.

Jährlich fallen für Belüftung und Entgasung 135.000 Euro an, auf die nun geplanten fünf weiteren Jahre somit 675.000 Euro. Der Umwelt- und Strukturausschuss gab den Plänen der Verwaltung sein einstimmiges positives Votum, wobei sich zwei Mitglieder (FDP und SPD) der Stimme enthielten, ohne dies zu erklären. Abschließend müssen Kreisausschuss und Kreistag darüber befinden. Nach dem so eindeutigen Votum des Fachausschusses ist aber eine Zustimmung so gut wie sicher.